Die der Corona-Pandemie geschuldeten Veränderungen haben auch vor der Rasteder Gemeindejugendpflege nicht haltgemacht. Nachdem das Jugendzentrum „Villa Hartmann“ Mitte März geschlossen werden musste, sind die Mitarbeiterinnen zur mobilen Jugendarbeit übergegangen. Und weil sich dieses Angebot als sehr wertvoll erwiesen hat, wird es bis auf weiteres auch nach der Wiedereröffnung der Jugendeinrichtungen beibehalten.
Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen, die ansonsten regelmäßig zu ihnen kamen, hielten die Jugendpflegerinnen zunächst vor allem mit Hilfe der sozialen Medien Instagram, Facebook und WhatsApp. Dabei wurde aber schnell klar, dass dies kein vollwertiger Ersatz für den persönlichen Austausch ist. Also drehte das vier-köpfige Team den Spieß einfach um: Seit einigen Wochen besucht es die Orte, an denen sich Jugendliche üblicherweise treffen. „Aufsuchende Jugendarbeit nennt sich das“, erläutert Jugendpflegerin Ulrike Hagendorff. Sie erfolgt in enger Absprache mit der Rasteder Polizei.
Mit dem Jugendmobil steuern Hagendorff und ihre drei Kolleginnen Zoe Höpfner, Tabea Diers und Daniela Siewert auch Treffpunkte in den Außenbereichen der Gemeinde an, zum Beispiel in Wahnbek, Hahn-Lehmden und Delfshausen. In Rastede selbst erfreuen sich in erster Linie der Schlosspark und seine nähere Umgebung großer Beliebtheit.
„Vor Ort suchen wir das Gespräch mit den Kids“, berichtet Zoe Höpfner, „um mit ihnen über ihre Sorgen und Nöte zu sprechen.“ Einige der Jugendlichen stünden zum Beispiel vor ihrem Schulabschluss und wüssten nicht, ob und wie sie diesen schaffen. Und auch was danach kommt, treibe viele Jugendliche um: die Suche nach Ausbildungsstellen und das Schreiben von Bewerbungen. Früher konnte das Team der „Villa Hartmann“ dabei als persönlicher Ansprechpartner behilflich sein. „Jetzt bieten wir unsere Unterstützung so gut es geht über die sozialen Medien an“, erzählt Höpfner.
Auch die Corona-Krise selbst beschäftige die Jugendlichen. „Die Zukunftsangst ist groß, viele stellen sich die Frage, wie es wohl weitergeht“, sagt Höpfner. So gut es geht, erklären die Jugendpflegerinnen die Situation, vor allem mit Blick auf das Kontaktverbot und andere Restriktionen. „Wie sich die Situation in Zukunft weiterentwickelt, können aber natürlich auch wir nicht mit Gewissheit beantworten“, ergänzt die Sozialarbeiterin.
Gerade die Einschränkung der sozialen Kontakte stelle die Jugendlichen vor eine große Herausforderung. Der Austausch mit Gleichaltrigen sei für ihre persönliche Entwicklung sehr wichtig und werde auch von ihnen selbst so wahrgenommen: „Während der Pubertät ist die Clique für Jugendliche das Wichtigste“, weiß Ulrike Hagendorff. Das könne mit Sicherheit jeder nachvollziehen, der sich an das eigene Erwachsenwerden erinnert: „Die Entwicklung, die wir in dieser Zeit durchgemacht haben, und viele der Freundschaften, die wir in dieser Phase geschlossen haben, halten oft lebenslang.“ Persönliche Kontakte ausgerechnet in dieser Zeit minimieren zu müssen, bedeute einen immensen Verzicht. „Die Jugendlichen versuchen deshalb irgendwie den Spagat hinzubekommen zwischen den eigenen Bedürfnissen und den aktuellen Vorschriften“, so die Sozialpädagogin. „Das gelingt mit Sicherheit nicht immer und es ist auch ein schmaler Grat, aber wir stellen auch immer wieder fest, dass die Jugendlichen sich durchaus an die Mindestabstände halten.“
Gleichzeitig machten die jungen Leute eine seltsame Erfahrung: Sie sehen einerseits viele Erwachsene, die sich offensichtlich auch nicht ganz strikt an die Corona-Vorgaben halten. Und andererseits kommt es ihnen so vor, als würden sie bei ihren Treffen ganz besonders kritisch beäugt. „Dieses Gefühl kommt nicht von ungefähr“, sagt Hagendorff, „auch wir stellen während unserer Arbeit mit den Jugendlichen fest, dass Passanten zum Beispiel kopfschüttelnd an uns vorbeigehen.“ Verstärkt werde dieses Phänomen noch bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Hagendorff: „Sie erzählen von einem Gefühl der Diskriminierung, das sich seit einiger Zeit verstärkt, weil sie von vorbeigehenden Menschen immer öfter belehrt und zum Teil sogar beleidigt werden.“
Seit dieser Woche öffnen sowohl die „Villa Hartmann“ in Rastede als auch der Jugendraum in Wahnbek wieder ihre Türen für die Jugendlichen – mit einigen Einschränkungen, unter anderem hinsichtlich der Öffnungszeiten. Solange das der Fall ist, wollen Hagendorff und ihre Kolleginnen die aufsuchende Jugendarbeit unbedingt fortsetzen. Dass der Bedarf vorhanden ist, hätten die letzten Wochen gezeigt.